Neusatz des Gebietes Deutsche Kolonien im MICHEL-Spezial 2006
Jedem Sammler, der den neuen MICHEL-Spezial 2006 in der nächsten Zeit aufschlagen wird, dürfte früher oder später die umfassende Neubearbeitung des Gebietes DEUTSCHE AUSLANDSPOSTÄMTER UND KOLONIEN auffallen. Nach langen Vorbereitungen ist endlich auch dieser Abschnitt dem neuen „Gesicht“ des Spezial angepasst worden.

Der Schwaneberger Verlag hat mit der grundlegenden redaktionellen über-arbeitung des MICHEL-Spezial bereits vor Jahren begonnen, die Vorbereitungen für das genannte Gebiet reichen ebenfalls einige Jahre zurück. Bereits im Jahre 2002 hat ein erstes Vorgespräch zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Sammler deutscher Kolonialpostwertzeichen in Person des Vorsitzenden Thomas Knell, einigen Verbandsprüfern des BPP sowie dem verantwortlichen MICHEL-Redakteur Heinz Adler stattgefunden. Auch in den folgenden Jahren hat man sich mehrfach getroffen, um die weitere Zusammenarbeit zu organisieren. Das Hauptanliegen war, eine möglichst breite Grundlage der Interessen (Spezialsammler, Händler, Prüfer, Katalog-Herausgeber etc.) zu schaffen.

Eine entscheidende Voraussetzung für eine adäquate Neubearbeitung war der Entwurf einer streng logischen Systematik, die den einheitlichen Rahmen bilden und nach deren Vorgaben das Gebiet aus einem Guss geformt werden sollte. Das im Neusatz jetzt abgedruckte Vorwort ist Ausdruck dieser neuen Systematik und Grundpfeiler der nachfolgenden Seiten. Sie hat im übrigen auch in den erstmals verfassten Sonderregeln für dieses Gebiet - als Ergänzung der Prüfordnung des Bundes der philatelistischen Prüfer (BPP) - ihren Niederschlag gefunden.
Der Neusatz wurde in fünf „Durchgängen“ auf herkömmlichem Wege auf Druckfahnen erarbeitet, da das MICHEL-Manuskript nicht als Datei zur Verfügung gestellt werden konnte. Im ersten Durchlauf wurden die Farbangaben denen des Deutschen Reiches angepasst sowie die offensichtlichsten Fehler beseitigt, im zweiten Vorschläge der Sachbearbeiter - meist Spezialsammler der jeweiligen Gebiete - sowie Ergebnisse einzelner Fachartikel eingearbeitet. Im dritten Durchlauf wurden diese Vorschläge systematisch aufbereitet, einander angepasst und in eine allgemeine Form gebracht sowie mit den wichtigsten Preisänderungen versehen, die sich aus der Beobachtung von Prüfvorlagen, der Registratur sowie der Bearbeitung von Händlerlisten und Auktions-/ebay-Ergebnissen ergeben haben. Der vierte Schritt - als Kontrolle - lag wieder bei den Sachbearbeitern, in diesem Durchgang wurden die Preisvorschläge überprüft und noch vorhandene, inhaltliche Fragen geklärt. Der fünfte Durchlauf „beschränkte“ sich dann auf ein mehrmaliges Korrektur-Lesen bzw. Ausstatten der Vorlage mit Bildern (von Marken, Typen und Plattenfehlern).

Diese oft auch organisatorischen Vorarbeiten haben allein den Verfasser dieser Zeilen, der als eine Art Koordinator die Hauptlast der Arbeit tragen sollte, mehr als 400 Stunden beschäftigt. Rechnet man die Stunden der Mitarbeiter (ohne MICHEL-Redakteur!) hinzu, kommen leicht 700 - 800 (!) Stunden zusammen. Es bleibt an dieser Stelle aber deutlich zu betonen, dass keine der Stunden oder sonstigen Aufwendungen (Kopie-, Porto-, Reise- oder Telefonkosten) vom Schwaneberger Verlag in irgendeiner Art bezahlt worden ist! Der Schwaneberger Verlag bleibt - um die Kosten für einen Katalog im Griff zu behalten - hier wie in allen anderen Fällen auf eine kostenlose Mitarbeit angewiesen!

Die Vorschläge, die nach Prüfung durch die MICHEL-Redaktion im wesentlichen übernommen wurden, lassen sich im groben in die Abschnitte SATZ, INHALT und PREISE unterteilen.

1.
Zu den satzbedingten und damit unumgänglichen Umstellungen zählt die (teilweise) Erweiterung der MICHEL-Nummerierung: So werden für einige Teilgebiete besondere Präfixe verwendet - zum Beispiel „V“ für Vorläufer oder „PV“ für die Petschili-Ausgaben der Deutschen Post in China. Dazu gehört auch die einheitliche Verwendung von Kennbuchstaben und Ziffern entsprechend der MICHEL-Nomenklatura. So bezeichnen beispielsweise die bisher auch für Auf- druckstellungen (DP China MICHEL Nr. 44 - 47) verwendeten ersten Großbuchstaben des Alphabets „A“/„B“ grundsätzlich nur noch unterschiedliche Zähnungen.

2.
Bei der Neubearbeitung des Inhalts haben die drei Hauptteile (Vorläufer, überdruckausgabe, Schiffsausgabe) wesentliche systematische änderungen erfahren. Im Vordergrund stand dabei die Anbindung dieser Teile an die Katalogisierung des Deutschen Kaiserreiches. Es sollte hinsichtlich der Aufnahme von Besonderheiten übereinstimmung erzielt werden. Als eine der Voraussetzungen wurden sämtliche Urmarkenfarben entsprechend dem derzeitigen Forschungsstand neu bestimmt. Als eigenständige Katalognummern werden meist jedoch nur solche Besonderheiten erfasst, die bereits im Katalog-teil des Deutschen Reiches aufgeführt sind (z. B. Farbabarten und Plattenfehler).

Die Vorläufer werden - auch wenn sie in Unterfarben vorkommen, nach denen sie auch geprüft werden können - nur noch nach Hauptfarben katalogisiert. Auch bei den überdruck-Ausgaben wird - neben neuen Plattenfehlern - eine ganze Reihe von Farbtönen erstmals katalogisiert. Die katalogmäßige Zu-ordnung folgt bei Gebieten mit vielen Farbtönen in der Regel der des Deutschen Reiches, ansonsten wird meist eine eigene Typisierung vorgenommen.
Aber nicht nur für die Marken selbst, auch für die Entwertungen haben sich Umstellungen ergeben. Eine einschneidende änderung hat sich mit der Einführung einer sog. Sorte II ergeben. Diese Sorte umfasst die nicht nachweisbar zeitgerechten Entwertungen, die während der Verwendungszeit der Marken angebracht wurden. Als klassisches Beispiel sind die Marianen-Entwertungen zu nennen; ein Großteil dieser Abstempelungen ist zwar während der Kurszeit der Marken angebracht worden - jedoch mit willkürlich veränderten Daten. Abstempelungen der Sorte II sind zwar immer entsprechend der Literatur geprüft und von Spezialsammlern und dem seriösen Fachhandel auch entsprechend (zu ca. 50 % der MICHEL-Notierung für o) behandelt worden. Mit der Katalogisierung einer Sorte II sollte jetzt aber auch die katalogmäßige Umsetzung vollzogen werden. Auch diese Neuerung findet ihren Niederschlag in den schon angesprochenen neuen Sonderregeln der BPP-Prüfordnung für dieses Gebiet: Ab sofort werden derartige Abstempelungen mit einem zusätzlichen, schraffierten Kreis signiert!
Auch im Bereich der Postgeschichte werden deutlich mehr Komplexe behandelt als früher. So wird zum Beispiel die Atoll-Post der Marshall-Inseln erstmals erfasst sowie die Kriegspost aus Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika deutlich differenzierter bewertet. Weitere Hinweise zu Besonderheiten finden sich in den Fußnoten. Es sei aber zugestanden, dass selbst der MICHEL-Spezial nicht so weit in die Bewertung der Besonderheiten vordringen kann wie der von der Arbeitsgemeinschaft herausgegebene Stempel-Katalog, der für jeden Sammler eines der wichtigsten Hilfsmittel bei der Bewertung darstellt.
Die Katalogabschnitte der französischen und britischen Besetzungsausgaben konnten aus verschiedenen Gründen im jetzigen MICHEL-Spezial leider noch nicht bearbeitet werden.

3.
Der letzte Komplex, die Neubearbeitung der Preise, bringt ebenfalls viele, zum Teil sogar erhebliche änderungen. Da es aber kaum DEN objektiven Katalog-preis gibt, galt der wichtigste Aspekt der Bearbeitung einer Entzerrung des preislichen Gefüges (vgl. nebenstehende übersicht). So wurden etliche Preise für Marken in postfrischer Erhaltung (erneut) angehoben. Andererseits mussten aber auch einige Werte dem heutigen Marktniveau oder aber den bekannten Mengenverhältnissen angepasst werden; als ein Beispiel sei die MICHEL Nr. 25 von Kamerun genannt, von der der Autor bisher weit über 400 Exemplare registrieren konnte. Auch der Vorläufer-Teil wurde grundlegend überarbeitet. Zum einen wurde eine Abgrenzung gegenüber den Mitläufern eingeführt. Zum anderen wurde bei beiden Gruppen auch die Verwendung auf Ganzstück erstmals bewertet.

Bei (fast) allen neuen Farbtönen und Typen wurde vorläufig von einer Bewertung Abstand genommen. Die gesetzte Katalognotierung „-,-“ gilt - das sei besonders betont - jedoch in ihrer eigentlichen Bedeutung, dass nämlich eine Notierung aufgrund fehlender Bewertungsunterlagen nicht möglich ist! Sie steht also nicht zwangsläufig für „teuer, selten und große Rarität“! Bei einigen neuen Farbtönen zeichnet sich bereits ab, dass sie nur wenig seltener sind als schon katalogisierte. Für die Neuaufnahmen sollen - soweit möglich - erst im nächsten MICHEL Notierungen erscheinen.

Die Neubearbeitung ist somit nicht mit dem jetzigen Neusatz beendet, sondern findet ihre Fortsetzung in der weiteren objektiven Marktbeobachtung! Ebenso klar ist, dass auch die Forschung mit dem Neusatz nicht beendet ist. Weitere Hinweise, Ergänzungen und Korrekturen werden deshalb gerne entgegen genommen und gegebenenfalls berücksichtigt.

Die jetzt vorliegende Neubearbeitung dürfte diesem beliebten und nach wie vor sehr preisstabilen Gebiet sicher neue Sammler zuführen. Für diese Aussicht hat nicht nur der Verfasser dieser Zeilen viele Stunden geopfert, sondern auch die nachstehend genannten Sachbearbeiter: Peter F. Baer, Carsten Brekenfeld, Frank Grieshaber, Wolfgang Hermann, Dr. Ernst Hollmann, Dr. Hans-Jürgen Kiepe, Thomas Knell, Manfred Knieper, Edwin Laukel, Roland Meiners, Dr. Peter Provinsky, Carl-Heinz Schulz, Ronald F. Steuer, Hans-Peter Wenzel und Manfred Wiegand.

(Der Artikel erschien im Jahre 2006 in „philatelie“ Nr. 347, S. 72 ff. „Deutsche Briefmarken-Revue“, Heft 5, S. 48 f. und „Deutsche Briefmarken-Zeitung“, Heft 9, S. 16 f.)

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