Deutsche Post in China - Der Rahmenstempel „HANKAU“
Das Postamt in Hankau verwendete über fast die gesamte Betriebszeit nur einen Tagesstempel für die Bearbeitung der Post. Dieser wurde wie üblich aus Deutschland geliefert (Abb. 1) und war vom 25.4.1900 bis 16.3.1917 im Einsatz. Aufgrund der Ereignisse während des Boxer-Aufstands wurde jedoch auch ein größerer Rahmenstempel vor Ort hergestellt, der vorab provisorisch vom 1. bis 30.4.1900 verwendet wurde. Dieser zeigt in der oberen Hälfte den Ortsnamen und in der unteren Hälfte eine großzügige Leerzeile, in der gegebenenfalls das Tagesdatum handschriftlich eingetragen werden konnte (Abb. 2). Oft finden sich auch Belegstücke mit einem weiteren Rahmenstempel mit chinesischen Schriftzeichen, deren Übersetzung sinngemäß „das Postamt des Großdeutschlands“ lautet (Abb. 3).

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit den provisorischen Rahmenstempeln und versucht nach einer allgemeinen Darstellung zuerst der Frage nachzugehen, ob es sich bei dem zusätzlichen Rahmenstempel mit den chinesischen Schriftzeichen tatsächlich um einen postalisch notwendigen Stempel gehandelt hat. Denn es lässt sich schon kritisch fragen, welchen Sinn ein solcher Stempel gehabt haben könnte, zumal chinesische Schriftzeichen für Post nach Deutschland völlig unerheblich waren und Post nach chinesischen Orten praktisch nicht existiert haben dürfte – ganz abgesehen davon, dass dieser Zusatz von eher beschränkter Aussagekraft ist.
Der zweite Abschnitt dieses Artikels wird mit einer ungewöhnlichen Verwendungsform des einfachen Rahmenstempels „Hankau“ befassen.

Der Rahmenstempel mit und ohne Zusatzstempel
Die genannten Entwertungsformen bzw. –kombinationen kommen lose bzw. auf Ganzstück nach der Registratur des Autors in beinahe identischem Verhältnis vor.
So sind vom Rahmenstempel ohne den Zusatzstempel mit chinesischen Schriftzeichen ca. 30 lose (Brief)Stücke und 18 Briefe, vom Rahmenstempel mit dem Zusatzstempel ebenfalls ca. 30 lose (Brief)Stücke sowie 15 Briefe bekannt.
Bei dieser Verteilung sind einige Auffälligkeiten hinsichtlich der Verwendung auszumachen, auch wenn sie – aufgrund der Tatsache, dass oft nur die Briefvorderseiten in Abbildungen vorliegen – letztlich keine abschließende Beurteilung erlauben.

Während die Briefe ohne Zusatzstempel fast alle einen Ankunftsstempel zeigen, überwiegend ins Ausland gehen (Abb. 4) und sich 6 Einschreiben (mit den handschriftlichen Einschreibnummern 64, 72, 84, 91, 96 (Abb. 5) und 109) darunter befinden, sind von den Stücken mit Zusatzstempel nur zwei Briefe mit Ankunftsstempel nachgewiesen: eine Karte an Konrad Starke (Abb. 6), einen bekannten deutschen Philatelisten, sowie eine Einschreibkarte nach Marseille mit Einschreib-Nr 108 (Abb. 7), die der Karte mit Einschreib-Nr 109 ohne Zusatzstempel in der Aufmachung entspricht (Abb. 8).

Fünf der zuletzt genannten Briefe gehen an den bekannten Leutnant Koch (Abb. 9), der seinerzeit vor Ort war und dessen Korrespondenz relativ umfangreich gewesen sein muss, da an ihn adressierte Post (mit identischer Handschrift) immer wieder auftaucht. Inwieweit dieser Herr Koch auch „philatelistisch“ aktiv war, lässt sich leider nicht mehr sagen. Bemerkenswert ist, dass diese fünf Belege – sofern Abbildungen vorliegen – keinen Ankunftsstempel tragen. Bereits Max Münzer schreibt in DBZ, 1954, S. 726, dass es sich hier um „Stücke mit wahrscheinlich erst später zugeführter Adresse, die also nicht den Postweg gingen“, handeln dürfte.
Auffallend ist weiterhin, dass etliche der bekannten Stücke (meist Ganzsachen) eine ähnliche Aufmachung zeigen – Marke auf Brief(stück) und Platzierung von Stempel auf Marke/Ganzsache – und durchaus häufiger vorkommen. Ob es sich hier um zeitgerechte Blankoabstempelungen (Abb. 10 und 11) oder um nachträgliche Entwertungen für interessierte Sammler handelt, ist heute leider nicht immer feststellbar. In diese Kategorie könnte zumindest die Karte an Starke gehören, dessen Name auch auf einer anderen vermeintlich ordnungsgemäß gelaufenen Karte auftaucht: auf einer Karte aus Uhabis (Berichte, S. 1895), bei der jedoch der zu dieser Zeit sonst übliche Durchgangsstempel von Steinkopf fehlt (vgl. ArGe-Rundschreiben Nr 93, S. 210).
Dass eine solche Unterscheidung in der Regel nicht getroffen werden kann, ist bedauerlich, da es durchaus Hinweise auf nachträgliche bzw. missbräuchliche Entwertungen gibt. So zeigt beispielsweise die Abb. 12 ein Pärchen der Kiautschou, MiNr 1, die jedoch erst am 9.5.1900 verausgabt wurde, zu einem Zeitpunkt also, zu dem längst der normale Tagesstempel „Hankau“ in Gebrauch war – ganz abgesehen davon, dass dieser Stempel auf einer Kiautschou-Marke nichts zu suchen hat. Schon Max Münzer erwähnt in DBZ, Nr 20, S. 726 bereits 1954 ein solches Stück.
Dass es zu solchen Entwertungen gekommen ist, erscheint letztlich aber nicht wirklich überraschend, denn dass der Rahmentempel „HANKAU“ aufgrund seiner ungewöhnlichen Form – auch und gerade im „Duett“ mit dem zweiten Rahmenstempel – bei den Sammlern größeres Interesse ausgelöst haben dürfte, liegt auf der Hand.

Vergleich der Datumseinträge
Etwas Licht ins Dunkel könnte hier eine Auflistung der Handschriften bringen, die auf bedarfsmäßig verwendeten Ganzstücken vorliegen. Zumal schon die Tinten auf diesen Stücken durchaus ähnlich ausfallen: sie erscheinen meist hell bzw. leicht transparent. Wobei es zwei grundsätzliche Anordnungen des Datums gibt: entweder in einer (Abb. 13) oder in zwei Zeilen (Abb. 14), aber beide offensichtlich vom gleichen Schreiber stammen. Auch die unterschiedliche Monatsangabe – mal als „4“, mal als „IV“ – dürfte eher Zufall sein, da auch hier die identische Handschrift auszumachen ist und auch diese beiden Varianten auf einem Briefstück vorkommen (Abb. 15).
Dabei ist auffällig, dass die einheitlichen Tinten meist nur auf den Postanweisungsabschnitten und den Einschreiben auftreten. Was durchaus verständlich ist, da hier eine genauere Datierung zum Nachweis der zeitlichen Abfolge/Bearbeitung/Laufzeit nötig ist. Mit diesem Abgleich wird aber weiterhin deutlich, dass eine ganze Reihe anderer Datumseinträge nicht in Ordnung sein dürften, da sie sowohl hinsichtlich der Tinten als auch der Handschriften Abweichungen zeigen. Vor dem Hintergrund, dass ausweislich der Akten beim Postamt Hankau zu dieser Zeit – abgesehen vielleicht von einigen chinesischen Hilfskräften, die jedoch in der Regel nicht zur Bearbeitung der Post eingesetzt wurden – nur der Konsulatsschreiber Jahn beschäftigt war, erscheinen mehrere ordnungsgemäße Handschriften eher unwahrscheinlich.

Schaut man sich daraufhin nochmals die ordnungsgemäß gelaufenen, einfachen Postkarten bzw. die (Brief-)Stücke an, die mit einiger Wahrscheinlichkeit bedarfsmäßig gelaufen sind, so zeigen (fast) alle keinen Datumseintrag! Und auch keinen Rahmenstempel mit chinesischen Schriftzeichen – und dass ausgerechnet die Karte an Konrad Starke diesen Rahmenstempel zeigt, erscheint aus Sicht des Autors eher die philatelistisch „inspirierte“ Verwendung dieses Stempels zu belegen. Und auch die zweite, vollkommen überfrankierte Karte mit diesem Zusatzstempel (Abb. 7) scheint eher die philatelistischen „Möglichkeiten“ der postalischen Bearbeitung demonstrieren zu wollen, als dass es sich um eine Bedarfsabstempelung handelt.

Fazit
Somit dürfte nur bei folgenden Entwertungsformen eine ordnungsgemäße Verwendung vorliegen:
  1. • ohne Zusatzstempel und ohne Datumseintrag = bedarfsmäßige Verwendung auf Karten/Briefen
  2. • ohne Zusatzstempel, aber mit Datumseintrag (mit nachgewiesener Handschrift/Tinte) = bedarfsmäßige Verwendung auf Einschreiben und Postanweisungsabschnitten
Auch Albert Friedemann bestätigt den ersten Befund bereits in „Philatelistische Berichte“, S. 2632: „Der Aushilfsstempel ist, wie ich beobachten konnte, bei einwandfreien Bedarfsbriefen fast ausnahmslos ohne den chinesischen Stempel und ohne Tagesangabe verwendet worden.“

Bei beiden Entwertungen kommt mitunter auch der Durchgangsstempel „Shanghai“ vor, der ebenfalls für eine bedarfsmäßige Abwicklung spricht.

Bei losen Briefstücken mit Datumsangabe in abweichender Handschrift/Tinte (Abb. 16), die durchaus häufiger vorkommen, ist wohl eher von einem nachträglichen Eintrag auszugehen (vermutlich sollten diese Daten das Stück „zeitgerechter“ machen!).

Soweit die auffälligen Gemeinsamkeiten bei den Stücken OHNE Zusatzstempel. Etwas anders sieht es bei den Stücken MIT Zusatzstempel aus:

Sofern es sich 1. um Ganzsachen (bzw. deren Ausschnitte) handelt, die 2. eine Datumsangabe in abweichender Handschrift (meist „10.4.00“, Abb. 17) und/oder 3. den Zusatzstempel mit chinesischen Schriftzeichen in typischer Anordnung zeigen (Abb. 18), dürfte besondere Vorsicht geboten sein.

Im Ganzen erinnern die Belegstücke mit diesem Stempel eher an Memorabilien, wie sie sich oft auf den Feldpostkarten finden lassen (chinesische Marken, Phantasie-Stempel, chinesische Gedichttexte, teils in Stempelform etc.), die in der fernen Heimat sicher begeistert aufgenommen wurden.

Der Rahmenstempel auf Postanweisungsabschnitten
Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen soll jedoch auch auf eine besondere Verwendung dieses Stempels hingewiesen werden, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden konnte. Es handelt sich dabei um einige wenige Bedarfsabstempelungen aus dem April 1900, die in ihrer Gesamtschau eine durchaus interessante Frage aufwerfen: Gibt es Vorausentwertungen beim PA Hankau?

Zur Prüfung wurden vier Werte der MiNr 4 mit handschriftlichem Datum vom „14/4.1900“ (Abb. 19) vorgelegt, deren Entwertung als echt zu bestätigen war. Auffällig an dem Prüfstück aber war, dass der Stempel selbst nur auf den Marken, nicht aber auf dem Postanweisungsabschnitt abgeschlagen wurde. Wie konnte das sein? Eine „Montage“ des Paares wäre durchaus denkbar, jedoch aufgrund der identischen zweiten Datumsangabe auf dem Abschnitt eher fraglich, wenn nicht gar unsinnig. Gab es also andere Gründe? Für die Beantwortung dieser Frage wurde die Registratur des Autors durchgesehen und – in der Tat! –: es konnten vier weitere Abschnitte nachgewiesen werden, die alle handschriftliche Datumsangaben innerhalb des kurzen Zeitfensters zwischen dem 2. und dem 14.4. zeigen (Abb. 20 – 23).

Für Registraturarbeiten (anderer Gebiete) wurden die Kataloge der Münchner Philatelistischen Bibliothek vor einigen Monaten erneut durchgearbeitet. Bei der Durchsicht der Fototafeln konnte durch eher zufälliges Weiterblättern in den Seiten überraschend ein weiteres Stück (Abb. 24) aufgefunden werden. Dass dies nicht schon bei der ersten Durchsicht des Kataloges vor mehreren Jahren entdeckt wurde, hatte vermutlich den einfachen Grund, dass der Ausruf mit nur wenigen Mark deutlich unter der Registrierungsgrenze lag und die Beschreibung offensichtlich nicht genau genug gelesen wurde!
Nach Abgleich dieses Stückes mit den bisher registrierten stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um ein weiteres Exemplar handelt. Die Katalogabbildung zeigte interessanterweise auch noch die Rückseite des Abschnitts (Abb. 25), was ungewöhnlich, in diesem Fall aber sehr hilfreich war. Denn auf dieser Rückseite zeigte sich, wie schon auf der des zur Prüfung vorliegenden Stückes, ein französischer Eingangsstempel. Erneut wurden die anderen Stücke nach dieser Gemeinsamkeit durchgesehen ... und tatsächlich: ein weiteres Stück zeigt, wie schon das zur Prüfung vorgelegte Stück, Teile einer französischen Marke (Abb. 21).

Was sind Vorausentwertungen?
Dies konnte nun kein Zufall mehr sein! Alle Stücke ähnelten sich dafür zu sehr. Was also könnte die Ursache für diese ungewöhnliche Stempelart gewesen sein?

Durch die Beschäftigung mit dem altdeutschen Sammelgebiet Hannover war die „Brücke“ schnell geschlagen. Könnte es sich um sog. Vorausentwertungen handeln, die bei Hannover von einer ganzen Reihe von Orten registriert worden sind (Abb. 26)? Und die nunmehr von Hankau in fast identischer Form vorliegt?
Und welche Gründe gab es bei Hannover für diese Art der Stempelpraxis, die vielleicht auch in Hankau ausschlaggebend waren?
Um herauszufinden, ob in Hankau die gleichen Ursachen vorlagen wie seinerzeit in Hannover, soll erst einmal geklärt werden, was genau man unter einer Vorausentwertung zu verstehen hat. Ulrich Häger schreibt dazu in seinem Standardwerk „Großes Lexikon der Philatelie“: „Unter diesem postal. und philat. Begriff ist jedwede Entwertung von Postwertzeichen (vorw. in Bogenform seitens der Post) zu verstehen, die vor dem Aufkleben der Marken auf eine Sendung erfolgt (…) und die einzige und endgültige Entwertung darstellt, d.h. eine weitere Entwertung z.B. durch Ortstagesstempel unterbleibt.“

Von diesen Vorausentwertungen sind – jedenfalls bei Hannover – die sog. Vorentwertungen abzugrenzen, bei denen es sich um meist waagerecht verlaufende Tintenlinierungen handelt, die vom annehmenden Schalterbeamten angebracht wurden, um dem Beamten, der später das Stempelgeschäft erledigte, zu signalisieren, dass die Portoberechnung bereits erfolgte und er die Richtigkeit der Frankierung nicht mehr kontrollieren brauchte.

Lagen nun also auch in Hankau ähnliche Umstände vor, die dazu führten, dass zeitsparend Marken im Voraus entwertet wurden? Und warum sind derartige Entwertungen nur auf Postanweisungen, nicht aber auf normaler Post registriert?

Dass im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich 20 Pf-Werte bekannt geworden sind, dürfte seinen Grund darin haben, dass für Postanweisungen im Auslandsverkehr für je 20 M 20 Pf zu zahlen waren. Was einen Hinweis auf eine bestimmte Art rationalisierten Vorgehens bei der Bearbeitung von Postanweisungen geben könnte.

Unterlagen zu den Mengen an täglich in Hankau aufgelieferten Postanweisungen, die ein Indiz hätten sein können, ließen sich leider nicht finden. In der „Post- und Telegraphenstatistik 1901“ werden im Abschnitt „F“ nur Angaben für alle Postämter der DP China veröffentlicht: Es wurden in diesem Jahr insgesamt 5.276 Postanweisungen mit einem Gesamtwert von 691.887,32 M aufgegeben (während nur 1.122 Postanweisungen bei den deutschen Postanstalten eingegangen sind). Dass nur diese Abschnitte nach Frankreich bekannt sind, lässt ebenfalls keinen Rückschluss zu, da die Postanweisungen nach Deutschland nach einer vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist grundsätzlich vernichtet wurden.

Vorstellbar wäre nun – und aus Sicht des Autors auch nicht abwegig –, dass über einen gewissen Zeitraum von einem Händler oder einer größeren Firma täglich mehrere Postanweisungen (der Höchstbetrag einer Auslandspostanweisung belief sich auf 800 M) abgesandt wurden. Und dass das Postamt in Hankau dies wusste und sich aus ganz praktischen Gründen in dieser unorthodoxen Weise darauf vorbereitete, indem bei einem oder mehreren Bogen jeweils Paare des 20 Pf-Wertes im Voraus entwertet wurden. Dies würde zumindest erklären, warum nur Postanweisungen mit dieser Stempelart bekannt geworden sind.

Wenn man sich die Mengen und das Zeitfenster ansieht, so hat es sich vermutlich auch nur um eine singuläre Erscheinung gehandelt, was zu vorgenannter Vermutung passen würde. Vielleicht wurde diese Praxis aber auch vom übergeordneten Postamt in Shanghai, welches als Auswechselungspostamt für die Auslandssendungen zuständig war bzw. über welches dieselben liefen, relativ zeitnah untersagt.

Abschließende Überlegungen
Nun kann man durchaus dagegen halten, dass eine solche Stempelpraxis – wenn man alle Schritte gegen einander aufrechnet – nicht unbedingt eine Zeitersparnis gebracht haben muss. Rein rechnerisch ist dies vermutlich zutreffend, jedoch dürfte nicht die reine Zeitersparnis, sondern lediglich ein besseres „Zeitmanagement“ im Vordergrund gestanden haben, d.h. die Vorausentwertungen wurden in einer ruhigen Minute vorsorglich angebracht, um bei Gebrauch zu einem späteren Zeitpunkt nur noch das Datum nachtragen zu müssen.
Paradox erscheint weiterhin, dass die Postanweisungen zwischen Hankau und Shanghai – dies belegen die Durchgangsstempel – 18 Tage gebraucht haben: Es liegen zwar mehrere Briefstücke mit Daten vom 14.4. bis 2.5. vor, jedoch ist nur für den „14.4.00“ (mehrfach) das Durchgangsdatum für Shanghai vom „2.5.00“ belegt. Im Gegensatz dazu erreichte die Briefpost innerhalb von 3 – 5 Tagen ihr Ziel (eine Trennung von Fahr- und Briefpost gab es ja seit Jahrzehnten nicht mehr). Ein durchaus vorstellbarer Grund könnte gewesen sein, dass das Postamt Shanghai als Auswechselungspostamt mit der Bearbeitung aller von den anderen deutschen Postämtern in China einlaufenden Auslands“wert“sendungen (Nachnahmen, Postanweisungen, Wertbriefe schlichtweg im Rückstand lag. In der bereits angeführten Post- und Telegraphenstatistik aus dem Jahre 1901 finden sich keine Angaben zu den Nachnahmen, es werden jedoch 6.398 Postanweisungen und 1.209 Wertbriefe gezählt, von denen der weitaus größte Teil sicher nach Deutschland bzw. ins Ausland ging, also vom Postamt Schanghai bearbeitet werden musste.

Nachweise für eine (Ver-)Fälschung der Stücke können aus Sicht des Autors jedoch beide Einwendungen kaum sein. Zumal sich ja auch kein wirklicher „Mehrwert“ aus dieser Stempelart ergeben hat, da jahrzehntelang diesen Stücken kein der jetzt angedeuteten Verwendung entsprechendes Interesse entgegen gebracht worden ist.

Trotzdem nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass es sich tatsächlich um eine Vorausentwertung handelt – auch die noch einsehbaren Akten schweigen zu diesem Thema –, dürften die angeführten Indizien dies dennoch nahe legen.
Sollten noch weitere Stücke in der einen oder anderen Sammlung schlummern, so wäre der Verfasser für Kopien derselben sehr dankbar.


(Der Artikel erschien 2018 in leicht abgewandelter Form in „Berichte für Kolonialbriefmarkensammler“, Nr 146, S. 4747 ff.)